Assessment Center

[Text: Tanja Dünnfründ*] Ein Assessment Center steht ins Haus. Wahrscheinlich haben Sie schon viel davon gehört. Aber was ist nun ein Assessment Center – AC in Fachkreisen –  wirklich. Was kommt genau auf Sie zu? Wie können Sie sich vorbereiten? Und ist das überhaupt sinnvoll?

Normalerweise sind Assessment Center eine – ziemlich kostenintensive – Auswahlmethode für Trainee- oder anspruchsvollere (Führungs-)Positionen. Das besondere an einem Assessment Center ist, dass mehrereTeilnehmer (=Sie) von mehreren Beobachtern (=meistens Führungskräfte des Unternehmens) in mehreren Übungen (=von Präsentation bis Rollenspiel) anhand genau definierter Kriterien (=von Kommunikation bis Analytische Fähigkeiten) auf ihre Eignung für eine bestimmte Funktion beurteilt werden . Durch diese Struktur soll das Verfahren objektiver sein als andere.

Wichtiges Kriterium im Assessment Center ist die Trennung von Beobachtung und Bewertung. Zunächst erfolgt eine reine Beobachtung des Verhaltens wie „spricht leise“, „fällt anderen ins Wort“, „fragt andere aktiv nach ihrer Meinung“, …
Am Ende der Übung werden die Beobachtungen zu einer Bewertung zusammen. Am Ende des Verfahrens werden alle Einzelwertungen zu einem Gesamturteil zusammengefasst.

Die beobachteten Kriterien sollen für die zu besetzende Funktion eine hohe Relevanz haben. So macht es Sinn im Finanzbereich analytische Fähigkeiten, Verhandlungsgeschick und Konfliktfähigkeit zu beobachten, wohingegen die Aufgaben bei einem Designer mehr Überzeugungskraft, Kundenorientierung und Durchsetzungsfähigkeit abtesten.

Ziel des Assessment Centers ist es, dass jeder Teilnehmer von mehreren Beobachtern in verschiedenen praxisnahen Übungen gesehen wird. Typischerweise sind in einem Assessment Center sowohl Einzel- als auch Gruppenübungen vertreten – wie im echten Leben also.

Klassische Übungen im Assessment Center neben Interviews sind:

Postkorb:

Unter schwierigen Umständen viele Entscheidungen treffen, das ist hier gefragt. Die Zeit ist knapp und vor Ihnen ein überfülltes Mailfile mit bis zu 20 Mails, Memos, Präsentationen. Alle mehr oder weniger eilig. Ihre Aufgabe: Priorisieren und Abarbeiten.Beispiel: Sie sind seit kurzem Abteilungsleiter Montage im Unternehmen XY. In einer Stunde brechen Sie zu einer viertägigen Dienstreise auf. In Ihrem Mailfile stapeln sich unbeantwortete Eingänge, die vor Ihrem Abflug erledigt werden müssen. (Ihr Vorgesetzter erwartet einen Sachstand zu Projekt X, ein Mitarbeiter will 4 Wochen Urlaub, Ihr Kind hat Schulprobleme – die Lehrerin bittet um Rückruf, die Präsentation für das Geschäftsführungsmeeting muss morgen in den Umlauf, …). Was tun Sie? Was wird erwartet? Erwartet wird, dass Sie Prioritäten setzen, Entscheidungen treffen und Delegieren.

Tipp: Verschaffen Sie sich einen Überblick. Setzen Sie Prioritäten und entscheiden Sie schnell, wie Sie vorgehen wollen. Achten Sie besonders auf Termine/Deadlines. Bedenken Sie die Konsequenzen Ihrer Entscheidungen. Delegieren Sie überall, wo dies möglich ist. Kommunizieren Sie Ihre Entscheidungen klar und verständlich.

Rollenspiele:

Simuliert werden hier typische Gesprächssituationen aus der Praxis z.B. ein Mitarbeitergespräch mit einem uneinsichtigen Schlechtleister für Führungsaufgaben. Nach einer kurzen Vorbereitung führen Sie das Gespräch – als Livedemonstration Ihres typischen Gesprächsverhaltens. Ihre Aufgabe: zu einem Ergebnis zu kommen.Beispiel: Sie haben ein neues Team übernommen und müssen nun mit einem Ihrer Untergebenen sprechen, der offensichtlich ein Alkoholproblem hat. Während dieses Gespräches erfahren Sie, dass die Frau des Mitarbeiters vor sechs Monaten bei einem Unfall verstorben ist. Was wird erwartet? Erwartet wird, dass Sie das Gespräch steuern und eine Vereinbarung erreichen.

Tipp: Verfolgen Sie einen roten Faden im Gespräch. Lassen Sie sich von Überraschungen nicht aus der Ruhe bringen. Haben Sie die Zeit im Auge. Folgen Sie dem klassischen Gesprächsaufbau: Begrüßung, Inhalt, Vereinbarung. Versetzen Sie sich in die Perspektive Ihres Gegenüber. Zeigen Sie Anteilnahme, wo es passt. Bleiben Sie sachlich. Halten Sie Blickkontakt. Bringen Sie Ihr Anliegen klar rüber. Argumentieren Sie stringent. Lassen Sie den anderen ausreden, hören Sie aktiv zu. Gehen Sie auf die Argumente Ihres Gesprächspartners ein. Erreichen Sie eine gemeinsame Veränderung zum Abschluss.

Präsentation:

Ein vorgegebenes Thema mit unterstützenden Medien präsentieren. Die Möglichkeiten reichen von der Selbstpräsentation über eine Fachpräsentation bis zur Stehgreifpräsentation zu einem aktuellen Thema. Ihre Aufgabe: Stellen Sie sich und Ihr Anliegen überzeugend und souverän dar.Beispiel: Präsentation des (in der Gruppe erarbeiteten) Geschäftsmodells, einer innovativen Produktionsmethode, Konzept für einen Workshop. Bei Stehgreifpräsentationen: Klimaschutz, Fahrverbot in Innenstädten. Was wird erwartet? Erwartet wird, dass Ihre Präsentation einen roten Faden hat und überzeugt.

Tipp: Gliedern Sie in Einleitung, Hauptteil und Abschluss. Lassen Sie „Bilder“ sprechen, also umschreiben Sie Sachverhalte. Nutzen Sie Medien mit denen Sie vertraut sind. Achten Sie auf Ihr Auftreten: Gestik, Mimik, Stimme. Halten Sie Blickkontakt. Bereiten Sie sich auf Fragen vor.

Gruppendiskussion:

Ein vorgegebenes Thema wird in einer Gruppe von ca. sechs Teilnehmern diskutiert. Ihre Aufgabe: die Gruppe zu einem Ergebnis führen.

Beispiel: Optimierung des Austausches zwischen Produktion und Sales; Wie sollte die Unternehmensstruktur der Zukunft aussehen? Was wird erwartet? Erwartet wird, dass Sie den Gruppenverlauf aktiv beeinflussen und sicherstellen, dass es ein Resultat gibt.
Tipp:
Leiten Sie die Diskussion. Beziehen Sie alle ein. Achten Sie auf die Zeit. Argumentieren Sie verständlich. Hören Sie aktiv zu. Steuern Sie die Gruppe zu einer gemeinsamen Lösung.

Case Study:

Ein realistisches Problem des Unternehmens wird detailliert beschrieben. Sie sollen alleine oder in der Gruppe einen Lösungsvorschlag erarbeiten. Beispiel: Umweltschützer mobilisieren gegen eine Ihrer Produktionsstätten. Was wird erwartet? Erwartet wird, dass Sie einen Lösungsvorschlag erarbeiten und diesen logisch begründen können.

Tipp: Bearbeiten Sie die Informationen sorgfältig. Achten Sie auf Details. Leiten Sie Ihre Lösung logisch her. Beachten Sie die verschiedenen involvierten Perspektiven. Durchdenken Sie die Konsequenzen Ihrer Entscheidungen. Bereiten Sie sich auf kritische Rückfragen vor.

Auf viele dieser Übungen können Sie sich gezielt vorbereiten. Dazu schauen Sie am besten: Wo stehe ich gerade? Wie gut sind Ihre Präsentationen? Wie verhalten Sie sich in Gruppen? Wie gut gelingen Ihnen fachfremde, analytische Aufgaben? Und dann üben Sie! Präsentieren Sie, sooft es geht. Holen Sie sich aktiv Feedback und Tipps ein. Beobachten Sie sich in Gruppen: Sind Sie eher dominant, hören Sie anderen bis zum Ende zu? Gehen Sie Case Studies aus dem Netz mit Freunden durch und besprechen Sie Ihre Lösungswege.

Ja, man kann sich auf ein Assessment Center vorbereiten. Unternehmen schätzen es, wenn Sie das Unternehmen kennen. Ein Besuch der Website hilft da sehr. Vielleicht können Sie von Freunden oder Karriereführern Tipps für die Assessment Center-Gestaltung dieses konkreten Unternehmens erhalten. Sie werden es aber wahrscheinlich nicht schaffen, einen anderen Menschen aus sich zu machen. Und wollen Sie das überhaupt? Wenn die Anforderungen nicht zu Ihnen passen, wird Ihnen voraussichtlich der Job auch nur übersichtlich Spaß machen. Wollen Sie sich das antun? Zeigen Sie sich von Ihrer besten Seiten, seien Sie authentisch und aktiv. Das ist das Beste, was Sie machen können. Und nutzen Sie das Assessment Center und das Feedback, das Sie am Ende erhalten, als eine weitere Lernmöglichkeit.

*Die Autorin: Tanja Dünnfründ ist freiberufliche Beraterin und Coach in Berlin. Sie ist Psychologin, Change Managerin, Associate Coach (DBVC) und verfügt über 10 Jahre Erfahrung im Personalmanagement internationaler Konzerne wie The Coca-Cola Company, Deutsche Bahn und Accenture. Mit ihrer Beratungspraxis fokussiert sie das Thema „Mehr Vielfalt im deutschen Management“. www.duennfruend.com

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