„Scrum Master lieben flache Hierarchien“

Der digitale Wandel ist untrennbar mit dem Einsatz von agilen Methoden verbunden. Ein Regelwerk innerhalb der agilen Welt ist Scrum, eine wichtige Rolle spielt dabei der Scrum Master. Ines Stuppacher, Scrum Master bei der Fullservice-Digitalagentur Valtech, gibt hier einen Einblick in einen Job, der nicht so häufig von Frauen gewählt wird. Wieso eigentlich?

Wir befinden uns mitten im digitalen Wandel, und immer wieder ist dabei auch von agilen Methoden die Rede. Kannst Du uns kurz erklären, was dahinter steckt?

Agile ist ein Überbegriff. Agil kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie flink oder beweglich. Im Bezug auf Softwareentwicklung steht das Wort für eine flexible und iterative Vorgehensweise. Agile Methoden und Praktiken helfen, Projekte mit unscharfen Anforderungen durchzuführen. Das funktioniert nicht nur in der Software-, sondern beispielsweise auch in der Produktentwicklung.

Ines Stuppacher, Scrum-Masterin bei Valtech. Bild: privat
Ines Stuppacher, Scrum Master bei Valtech. Bild: privat

Wenn ich agile Methoden einsetze, kann ich schnell auf wechselnde Gegebenheiten im Markt reagieren – und das ist in der digitalen Welt heute für Unternehmen überlebenswichtig. Im Gegensatz dazu steht das so genannte Wasserfall-Modell, bei dem im Vorfeld ein allumfassender Anforderungskatalog festgelegt wird, der dann abgearbeitet wird. Bugs oder Fehlentwicklungen werden dabei oft erst im Anschluss an diesen langwierigen Prozess erkannt, Änderungen sind nur schwierig nachträglich einzubauen.

Wo liegt die Abgrenzung zu Scrum?

Scrum ist ein Regelwerk für ein Vorgehen in der agilen Softwareentwicklung. Gleichzeitig ist es auch ein Werkzeug, um Organisationen von innen heraus zu verändern. Wichtige Merkmale sind die Arbeit in selbst organisierten, interdisziplinären Teams, die kontinuierliche Prozessverbesserung sowie eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden und dessen häufiges Feedback.

Was ist dann ein Scrum Master?

Der Scrum Master hat quasi eine Führungsrolle in Scrum. Er steht dem Team während eines Sprints zur Seite – das ist ein festgelegter Zeitraum, in dem ein Scrum-Team die Lösung für eine bestimmte Aufgabe erarbeitet. Als „Servant Leader“ räumen Scrum Master für ihre Teams externe und interne Hindernisse aus dem Weg. Sie sorgen etwa dafür, dass das Team genug Raum zum Arbeiten hat oder das Verhältnis zum Kunden stimmt und unterstützt das Team bei der Reflexion über seine Arbeitsmethoden. Sie weisen aber zum Beispiel den einzelnen Mitgliedern keine Aufgaben zu. Eigentlich ist der Name Scrum „Master“ ein wenig irreführend, weil es innerhalb eines agil arbeitenden Teams keine Hierarchien in dieser Form gibt.

Ein guter Scrum Master arbeitet im Grunde daran, sich selbst überflüssig zu machen. Er achtet darauf, dass die Teammitglieder nicht zu reinen Befehlsempfängern werden oder einer im Team alles macht. Er öffnet die Türen für die Arbeit des Teams und ist eher eine Art Coach.

Wie bist Du Scrum Master geworden?

Zunächst habe ich Medientechnik studiert und dabei ausschließlich klassisches „Wasserfall“-Projektmanagement gelernt. Danach kam ich zur RTT AG (heute 3DExcite), wo wir eigentlich schon agil gearbeitet haben, es aber nicht so genannt haben. Irgendwann wollten wir Scrum ausprobieren und einer im Team musste ja dann Scrum Master sein. Da ich sehr gut organisieren konnte und immer schon irgendwie das gesamte Projekt im Auge hatte, fiel die Wahl auf mich. So wurde ich Scrum Master für ein siebenköpfiges Team. Heute bin ich für die Fullservice-Digitalagentur Valtech tätig. Momentan betreue ich zwei Teams und bin darüber hinaus noch als agiler Coach und im Innovationslab der Agentur tätig.

Wie verläuft die Ausbildung zum Scrum Master?

Es gibt zweitägige Kurse an verschiedenen Instituten, nach denen man sich dann Certified Scrum Master nennen darf. Aber das reicht natürlich nicht, um diesen Job tatsächlich gut zu machen. Man sollte viel in der Praxis arbeiten, viel lesen und immer wieder Trainings absolvieren, um sich weiter zu entwickeln. Bei Valtech haben wir neben den Trainings zum Beispiel ein regelmäßiges „Agile Practise Meetup“ eingeführt, in dem wir uns über die Projekte und unterschiedliche Praktiken austauschen können.

Leider werden an den Universitäten agile Methoden heute immer noch nicht durchgängig geübt – vor dem Hintergrund des digitalen Wandels finde ich das wirklich tragisch. Direkt von der Uni sollte man jedoch meiner Meinung sowieso nicht als Scrum Master arbeiten, denn es ist wichtig, zuvor Erfahrungen in einem agilen Team gesammelt zu haben.

Müssen Scrum Master auch selbst programmieren können?

Nein, wobei es natürlich hilft, wenn ein Scrum Master die technischen Anforderungen für das Team grundsätzlich versteht. Aber Programmierkenntnisse sind eigentlich nicht nötig. Deshalb könnten theoretisch auch Leute mit ganz anderen Ausbildungen Scrum Master werden. Vieles lässt sich im alltäglichen Projektgeschäft lernen. In der Realität sind Scrum Master häufig auch gleichzeitig als Entwickler im Team dabei. Diese Konstellation ist natürlich nicht optimal, weil dann der nötige Abstand zum Projekt verloren geht.

Was fasziniert Dich persönlich an Deinem Beruf?

Ein Scrum Master hat den Fokus auf dem Team, und jedes Team ist anders. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Kollegen gut arbeiten können und dafür beispielsweise alle nötigen Informationen und das regelmäßige Feedback vom Kunden erhalten. Scrum Master haben viel mit Menschen zu tun, sollten moderieren und darauf achten, dass sich die Team-Mitglieder weiter entwickeln, zum Beispiel muss man auch mal stillere Kollegen etwas aus der Reserve locken. Dazu muss man motivieren können, denn in Scrum müssen die Teams ja selbstverantwortlich agieren, und das liegt nicht jedem.

Faszinierend finde ich neben der Arbeit mit Menschen den größeren Kontext von Scrum, die Transformation zu einer agilen Kultur im Unternehmen und die Veränderung von Organisationen, gerade im Hinblick auf die Digitalisierung. Dafür braucht es einen Wandel im Mindset von allen Mitarbeitern, und dieser Prozess dauert sehr lange. Ich finde es sehr reizvoll, als Scrum Master den digitalen Wandel mit zu gestalten.

Du hast einmal getwittert: „and why do scrum masters not get any training in psychology or sociology or educational science? #scrum is supposed to be about people“ – daraufhin kamen nicht nur freundliche Kommentare. Was denkst Du dazu?

Ich finde immer noch, dass es wirklich wichtig wäre, in der Scrum-Ausbildung auch die sozialen Kompetenzen stärker in den Vordergrund zu stellen. Das ist eine Führungsaufgabe und ganz klar ein Digital Leadership Thema, auch wenn ein Scrum Master ganz andere Funktionen hat als etwa ein Projektmanager.

Wo liegt denn der Unterschied zum klassischen Projektmanager?

Ein Projektmanager vergibt in der Regel klare Aufgaben an sein Team und muss am Ende auch für die Einhaltung der vereinbarten Ziele gerade stehen. Scrum Master dagegen helfen ihren Teams, eigenverantwortlich zu arbeiten, sie agieren eher im Hintergrund. In agilen Teams bzw. agilen Organisationen gibt es nur flache Hierarchien. Da liegt auch die Herausforderung, wenn klassisch ausgebildete Projektmanager plötzlich agil arbeiten sollen: Sie müssen lernen, ihrem Team zu vertrauen und den einzelnen Mitgliedern viel größere Freiräume zu geben. Das ist nicht so leicht zu verstehen und noch schwieriger umzusetzen – die Gefahr, in alte Muster zurück zu fallen, ist sehr groß.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Dir aus?

Jeder Tag ist anders. Dennoch gibt es viele Routinen im Scrum Zyklus. Jeden Morgen etwa steht ein so genanntes „Daily“ mit jedem Team auf dem Programm, in dem die Aufgaben für den Tag besprochen werden. Häufig gehe ich dann in Gespräche mit Kunden oder dem Team, um Unklarheiten zu klären oder die Aufgaben für weitere Sprints vorzubereiten. Alle zwei Wochen findet eine so genannte Review mit den Auftraggebern statt. Die Review steht am Ende eines Sprints und gibt den Kunden Einblick in die Ergebnisse, durch Feedback kann er steuernd eingreifen. Auf dieser Basis plant das Team mit den Auftraggebern den neuen Sprint, wo ich moderiere. Am Ende des Sprints steht auch noch die Retrospektive an, wo ich das Team dabei unterstütze, den eigenen Prozess kritisch zu reflektieren und sich auf Verbesserungsmaßnahmen zu einigen. Das ist ein besonders wichtiges Ritual im Scrum, um als Team kontinuierlich besser zu werden.

Warum gibt es nur wenige Frauen, die in dieser Funktion tätig sind?

Das hat sicherlich damit zu tun, dass es ja sowieso schon weniger Frauen in der IT und in der Software-Entwicklung gibt. Der Beruf des Scrum Masters ist wohl noch weniger bekannt in anderen Branchen, heute sind Scrum Master mehrheitlich Entwickler. Und die stecken von außen betrachtet meist in der Schublade der eher nicht-kommunikativen Typen. Eigentlich ist der Beruf aber gerade für weibliche Talente attraktiv, denn hier sind viele Eigenschaften gefragt, in denen Frauen häufig stark sind.

Welche Eigenschaften sollten Scrum Master mitbringen?

Eigenschaften wie Kommunikationsfähigkeit, Konfliktmanagement oder Organisation sind sehr hilfreich, und man muss mit Feedback und Kritik umgehen können. Dazu braucht man als Scrum Master auch immer wieder Konsequenz und einen langen Atem, um Themen nicht im Sande verlaufen zu lassen und den Überblick über verschiedene Projekte zu behalten. Kurz gesagt, ein Scrum Master sollte sich selbst und andere organisieren können und dabei immer für Transparenz, Offenheit und Respekt im Team sorgen.

Du arbeitest außerdem als agiler Coach. Welche Aufgabe hast Du hier?

Als agiler Coach arbeite ich nicht in einem konkreten Projekt, sondern helfe bei der Einführung von agilen Methoden – das kann bei einem unserer Kunden sein, aber auch innerhalb von Valtech. Dabei organisiere ich Workshops und halte Trainings und unterstütze auch hier Probleme von Prozessen oder in der Organisation sichtbar zu machen und in weiterer Folge Lösungen zu finden.

In Deiner Freizeit engagierst Du Dich sozial. Du bist zum Beispiel Mentorin an der Hochschule in Landshut und reist regelmäßig nach Kambodscha, um ein Hilfsprojekt zu unterstützen. Was treibt Dich an?

Ich bin sehr gern mit anderen Menschen zusammen, möchte Dinge zum Guten verändern und mich dabei selbst weiter entwickeln, aber auch das Potenzial von anderen fördern. Ich finde, das passt alles sehr gut zusammen.

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