Internet of Things: Was für Knud Lueth das Maß der Dinge ist

Von Henrike Berg [Box of Birds]*. Man kennt sie nur zu gut, diese Lebensgeschichten, die durch die Flure geistern wie moderne Mythen. Sie sind inspirierend, motivierend, abgedreht – und irgendwie passieren sie immer jemand anderem. Trotzdem – oder gerade deswegen – hören wir voller Neugier bis zum Ende zu. Weil sie einfach gut sind. Weil sie von mutigen Menschen erzählen, die Sicherheit, Monotonie und Komfort verlassen für eine schöne Unbekannte und ein wenig mehr Sinn.

Da ist der Investmentbanker, der jetzt Schafe in Neuseeland züchtet, man hört vom ehemaligen Art Director, der plötzlich Hare Krishna-Guru ist, vom CEO aus dem Silicon Valley, der sich jetzt stolzer Besitzer eines Surfshops nennt. Nicht immer jedoch ist ein Weidetier, eine schräge Kommune oder eine Hängematte am Ende der Welt ein Teil des Exit-Plans.

Manche Menschen wählen anstelle eines Totalausstiegs etwas, das in seinem Kern vielleicht viel inspirierender ist. Sie wenden sich Inhalten zu, die ihr Gemüt ein wenig mehr bewegen und ihre eigenen Ideen noch etwas mehr beflügeln als das, was sie zuvor beschäftigte – und wählen als neue Lebenswelt etwas, das die unsere vermutlich drastisch verändern wird.

Ein Leben, in dem man selbst die Regeln macht

Knud Lueth hat seinen Job für eine große Consulting Company vor anderthalb Jahren verlassen, um sich einem Thema zuzuwenden, das uns alle in den nächsten Jahren immer mehr beschäftigen wird: dem Internet der Dinge, auf englisch Internet of Things oder IoT. Diesem schillernden Buzzword, das unsere gesellschaftliche und ökonomische Welt durch die Kommunikation intelligenter Alltagsgegenstände und Wesen untereinander zunehmend verändern soll.

Seine Firma IoT-Analytics ist einer der wenigen deutschen Anbieter, die durch Marktanalysen und -segmentierungen interessierten Unternehmen einen Überblick darüber verschaffen, welche Themen relevant werden, welche Trends im Kommen sind und woran die großen Player wie Google, Intel, Microsoft oder IBM gerade arbeiten. Hochrechnungen des Tech-Riesen Cisco zufolge wird es bis 2020 weltweit rund 50 Milliarden untereinander kommunizierende Geräte geben. Man darf also annehmen, dass es hier genug zu tun gibt.

Der berufliche Weg von Knud, der in Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen studierte, begann wie der vieler junger Unternehmensberater mit dem Wunsch nach geraden Linien, einem Vorzeige-CV und den besten Referenzen für die eigene Zukunft. Dafür war er einiges zu leisten bereit.

„Mir war von Anfang an bewusst, dass es unheimlich viel Arbeit, kaum Freizeit und einen enormen Kraftaufwand bedeuten würde“, erzählt er im Rückblick auf die Anfänge seiner Karriere. „Dennoch habe ich mich damals bewusst dafür entschieden. Ich wollte Firmen besser beistehen und meine Grenzen spüren, mich hinterfragen und in Bezug zu anderen ambitionierten Menschen setzen, um meine eigenen Fähigkeiten besser einordnen zu können.“

Und Grenzen, Fragen und Erkenntnisse hat Knud bekommen. Fünf intensive, lehrreiche und bisweilen anstrengende Jahre lang, in denen er zwischen Hamburg und Düsseldorf, Peking und Mumbai pendelte und im Grenzgebiet der Anforderungen von Kunden, Vorgesetzten und denen des eigenen Ehrgeizes lebte.

Das Zeitgefühl des Unternehmensberaters

„In einem solchen Job entwickelt man ein ganz eigenes Zeitgefühl“ erzählt der 32-jährige Gründer von jener Lebensphase. „Einen Tag schaust du aus dem Fenster und es ist Sommer draußen und beim nächsten Blick ist es auf einmal Herbst und du stellst fest, dass du die schönsten Tage des Jahres verpasst hast, weil du gearbeitet hast, während andere draußen Bier trinken.“

Für den analytisch denkenden Bird war es ein Grund, die Perspektive auf den Zyklus zu wechseln. Er absolvierte ein Jahr lang seinen MBA in der renommierten Business-School INSEAD in Singapur und zusammen mit der äußeren Welt veränderte sich auch die innere.

„Es war die Chance, aus meinem Leben herauszutreten und mich selbst von außen zu betrachten. Ich habe dann sehr schnell gemerkt, dass ich in einem System leben will, in dem ich selbst die Regeln aufstelle.“

Die schöne neue Welt der Dinge

Der Wunsch nach Unabhängigkeit und etwas Substantielles zu hinterlassen, brachte Knud dazu, all das aufzugeben, was greifbar, vertraut und sicher war, um sich einem Thema zuzuwenden, das im Prinzip nichts von alledem ist. Einem hochkomplexen Gegenstand, dessen Ecken und Kanten noch unscharf sind, dessen tatsächliches Potenzial vielen noch ungewiss erscheint und der das Vorstellungsvermögen so manch einer konservativen Seele übersteigt.

„Für mich hatte es einen besonderen Reiz, mein altes Leben für etwas aufzugeben, das durch seine Technologie und Fortschrittlichkeit die Welt nachhaltig verändern wird“, erklärt Knud. Dass bei der Wahl eines derart komplexen Inhaltes der Weg nicht schnurstracks zu einem Bilderbuch-Business-Modell führt, ist so wenig überraschend wie von Bedeutung.

Am Anfang seiner Selbständigkeit probierte Knud sich daher erst einmal aus und beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit dem Teilgebiet Industrie 4.0, also der Vernetzung von Maschinen im Industrieumfeld und Aspekten wie ihrer vorausschauenden Wartung, bevor er IoT-Analytics gründete.

Die Firma in ihrer heutigen Form entstand wie so manch inspirierte Idee fast nebenbei aus etwas, das er eigentlich eher als Hobby betrieb: in Kaffeelaune und aus dem persönlichen Interesse für das Internet der Dinge startete Knud einen Blog, in dem er über sämtliche Fragestellungen schrieb, die in diesem Feld relevant wurden. „Ich hätte selber nicht gedacht,  dass das Ganze so schnell durch die Decke gehen würde und wie groß der Bedarf an Übersicht und strukturierten Informationen tatsächlich ist“, sagt Knud über seine ersten Schritte mit IoT-Analytics.

Die hinterlassen mittlerweile beachtliche Abdrücke, denn Firmen von Dubai bis San Francisco fragen seine Analysen an, bei Microsoft hat man seine Rankings auf dem Tisch und sogar der Trainer der US-Nationalmannschaft im Gewichtheben – nein, auch wir sehen da keine direkt Verbindung, finden das aber gerade deshalb kurios – hinterlässt ein enthusiastisches „keep it up“ in Knuds virtuellem Briefkasten.

Die schöne neue Welt, die hier im Wachsen ist und die Knud zu strukturieren versucht, bedeutet für die Träumer Utopia und für manchen Kritiker „1984“. Eine Gesellschaft, in der alles mit allem vernetzt ist, in der Straßen miteinander kommunizieren, Sensoren in Kleidung als gesundheitliches Frühwarnsystem fungieren können und der Kühlschrank dem Supermarkt meldet, dass der wohlgehegte Schokoladenvorrat sich dem Ende neigt, ist definitiv eine Vision zwischen butterweicher Watte und diktatorischer Weltherrschaft.

Doch die unabwendbaren Entwicklungen zu beurteilen ist nicht Knuds Aufgabe. Sein Ziel ist es, das Auge zu sein zwischen all diesen neu entstehenden Synapsen, ein Monitor in der Flut der Informationen, der Komplexität reduziert und den technologischen Fortschritt für andere nachvollziehbar macht. So ist er aktiver Part einer unglaublichen Geschichte, die unsere Welt für immer verändert und die Schaffarm in Neuseeland nicht zum Ausstiegs-Mekka, sondern zu einem smarten und hochkomplexen technischen Gebilde werden lässt.

* Henrike ist Journalistin, Bloggerin und Kommunikationsberaterin. In ihrem Social-Webmagazin „Box of Birds“ porträtiert sie  Menschen mit ungewöhnlichen Berufswegen und Erfolgsgeschichten und vernetzt sie mit der Leserschaft.

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