Gesucht: Scrum Master (m/w)

In der Digitalisierung gewinnen agile Methoden an Bedeutung, viele Unternehmen steuern Projekte über Scrum, vor allem im Bereich Software-Entwicklung. Scrum Master haben derzeit gute Berufschancen – doch was genau wird von ihnen gefordert? Sollten klassisch ausgebildete Projektmanager nun Scrum Master werden? Ist das nicht nur ein Job für Informatiker?

Die Stellenausschreibung überrascht. In einer Online-Anzeige sucht MAN Truck & Bus einen Scrum Master für die Softwareentwicklung in einem neuen Telematik-Team. Doch die Anzeige richtet sich nicht nur an Informatiker, auch Kommunikationswissenschaftler und Psychologen haben eine Chance auf die Position, sofern sie Erfahrung mit agilen Projekten und eine Zertifizierung als Scrum Master vorweisen können.

Sabine Canditt, Scrum Trainerin. Bild: privat
Sabine Canditt, Scrum Trainerin. Bild: privat

Sabine Canditt, die einzige Frau in Deutschland, die als Certified Scrum Trainerin der Scrum Alliance Trainings für zukünftige Certified Scrum Master gibt, findet das nachvollziehbar. „Technisches Wissen ist für Scrum Master nicht unbedingt erforderlich. Es kann sogar hinderlich sein, wenn er fachlich zuviel mitredet. Denn nicht der Scrum Master, sondern das Team erarbeitet die Lösung“, erklärt die Expertin. Auch aus Sicht von Ines Stuppacher, Scrum Master und Agile Coach bei der Fullservice-Digitalagentur Valtech, ist diese Vorgehensweise zeitgemäß. „Programmierkenntnisse sind für die Arbeit als Scrum Master eigentlich nicht erforderlich. Vieles lässt sich im alltäglichen Projektgeschäft lernen“, weiß Stuppacher. „Aber natürlich hilft es, wenn ein Scrum Master die technischen Anforderungen für das Team grundsätzlich versteht.“

Agile Methoden werden überlebenswichtig

Im Zuge der Digitalisierung werden agile Methoden in den Unternehmen immer häufiger angewendet. „Agile Methoden gewinnen an Bedeutung, weil sich Organisationen mit immer komplexeren Themen auseinander setzen müssen. Das ist eine Überlebensfrage. Durch die Digitalisierung entstehen völlig neue Geschäftsmodelle, die Entwicklungszyklen verkürzen sich dramatisch, die globale Konkurrenz wächst und Mitarbeiter müssen über Zeit- und Ortsunterschiede hinweg miteinander kooperieren. Eine gute Lösung für komplexe Probleme erreicht man nur in Teams, und diese Teams können mit agilen Vorgehensweisen flexibler und rascher auf Marktanforderungen reagieren“, erläutert Sabine Canditt von Cansult.

Eines der bekanntesten Regelwerke innerhalb dieser Methoden ist Scrum, und ein spannender Job in diesem Zusammenhang – neben dem Development Team Mitglied oder dem Product Owner – ist der Scrum Master. Da viele Projekte inzwischen agil umgesetzt werden, werden folglich auch immer häufiger Jobs für Scrum Master ausgeschrieben – vom Modelabel mit E-Shop bis hin zum Automobilkonzern, agil ist das Gebot der Stunde. Das bestätigt auch die Scrum Alliance, unter deren Dach entsprechende Zertifizierungen als Certified Scrum Master angeboten werden. Laut Scrum Alliance ist die Zahl der CSM seit 2011 allein in Deutschland um 458% Prozent gestiegen.

„Command & Control“ versus „Arbeiten auf Augenhöhe“

Kein Wunder also, dass nun auch klassisch ausgebildete Projektmanager vor der Herausforderung stehen, eine Zertifizierung zum Scrum Master abzulegen. Doch die agilen Vorgehensweisen, wie sie beispielsweise im agilen Manifest genannt werden, erfordern ein völlig anderes Mindset.

Agiles Manifest: 2001 verfasste Prinzipien zur agilen Softwareentwicklung, zunachst von 17, heute von mehr als 1.000 Personen unterzeichnet und in mehreren Sprachen übersetzt.
„We are uncovering better ways of developing software by doing it and helping others do it. Through this work we have come to value:
1. Individuals and interactions over processes and tools
2. Working software over comprehensive documentation
3. Customer collaboration over contract negotiation
4. Responding to change over following a plan
That is, while there is value in the items on the right, we value the items on the left more.“

„Die meisten meiner Trainingsteilnehmer sind sehr motiviert und haben bereits eine agile Einstellung. Das ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, denn ein Scrum Master sollte sich mental voll darauf einlassen und wirklich hinter den Methoden stehen. Schließlich sollte er ja andere mitreißen können“, erklärt Sabine Canditt. „Während klassische Projektleiter gewohnt sind, im Vordergrund stehen und sich meist auch gern als Macher sehen, hält sich ein Scrum Master eher im Hintergrund und nimmt die Rolle eines Coaches ein“, so Canditt.

Das heißt: In einem Scrum-Team wird auf Augenhöhe und sehr transparent gearbeitet. Der Scrum Master räumt für sein Team Hindernisse aus dem Weg, damit das bestmögliche Ergebnis erzielt werden kann. Während die Projektmanager also in solch einem Gefüge Macht abgeben müssen und ihr Wissen teilen sollen, wird von den Team-Mitgliedern mehr Eigenverantwortung gefordert.

Gina Röge
Gina Röge

„Unternehmen brauchen in jedem Fall weiterhin Projektmanagement-Kompetenzen. Diese hat nun nicht mehr ein alleiniger Projektmanager inne, sondern in einer engen Kollaboration innerhalb einem ‚neuen’ Rollen-Setup in einer agilen Organisation sind diese verteilt auf Product Owner, Scrum Master, Team-Mitgliedern und Kunden“, sagt Gina Röge, ebenfalls Scrum Master und Agile Coach bei Valtech.  Diese neue Dynamik der Interaktion ermöglicht neues Denken und Innovation in einer weniger auf Prozesse gerichteten Arbeitsumgebung.

Eine Organisation agiler zu machen stößt deshalb bei den Beschäftigten nicht immer auf Zustimmung. „Agiles Arbeiten bedeutet meist eine große Lernkurve für die Beschäftigten. Je klassischer eine Organisation aufgestellt ist, desto stärker nehmen die Menschen die Veränderungen wahr“, beschreibt es Sabine Canditt. Deshalb haben die Scrum Master auch eine besondere Rolle. „Die Fähigkeiten, die man als Scrum Master braucht, sind genau die, die auch ein agiles Management benötigt – es geht nicht um „command and control“ sondern darum, andere zu befähigen, ein möglichst gutes Ergebnis im Team zu liefern“, sagt Canditt.

Im agilen Umfeld steht Kommunikation im Vordergrund

Genau das macht die Erfolgsmessung für Scrum Master schwierig, weiß Canditt. „Die Erfolge und die Leistung sollten sich darin zeigen, dass das Team effektiver und effizienter arbeitet. Das lässt sich nur schwer in Euro ausdrücken. Der Wert der eigenen Arbeit ist nicht leicht zu messen.“

Umso mehr ist es oft der eigene Antrieb und der Wunsch, mit Menschen zusammen zu arbeiten, was Scrum Master in ihrem Job antreibt. Ines Stuppacher und Gina Röge lieben in ihrer Arbeit den Kontakt zum Team und zu den Kunden, die in die Projekte durch häufiges Feedback eingebunden sind. „Man justiert, was das Team braucht und räumt den Weg frei, damit das beste Ergebnis entstehen kann. Dabei geht es immer auch darum, wie Menschen denken und fühlen, mir macht es Spaß, das Beste aus jedem herauszukitzeln“, so Röge.

Gerade das macht die Arbeit als Scrum Master auch für Frauen sehr interessant. „Scrum Master haben viel mit Menschen zu tun und sollten kommunikationsstark sein. Hier bieten sich viele Chancen für Frauen – leider sind sie bislang als Scrum Master eher selten anzutreffen“, beobachtet Sabine Canditt. „Technik, Prozesse oder so etwas wie Moderation kann man lernen – weiche Faktoren aber im Umgang mit Menschen muss man schon mitbringen“, sagt Gina Röge. Sie hat viele Jahre beim Telekommunikations-Ausrüster Ericsson gearbeitet, wo es viele weibliche Scrum Master gab.

Wie wird man Scrum Master?

Agile Methoden spielen in der universitären Ausbildung eine Nebenrolle. Viele Studentinnen und Studenten lernen Scrum oder andere agile Vorgehensweisen eher in begleitenden Workshops oder in Projekten als Werksstudenten. Doch wie wird man dann Scrum Master?
„Es gibt zweitägige Kurse an verschiedenen Instituten, nach denen man sich dann Certified Scrum Master nennen darf“, erklärt Ines Stuppacher. Doch diese zwei Tage reichen längst nicht aus, um danach auch tatsächlich als Scrum Master erfolgreich zu sein. „Häufig wird eine zweitägige Zertifizierung zum Scrum Master überbewertet“, sagt Sabine Canditt. „Das weiß auch jeder, der sich damit beschäftigt.“ Sinnvoll findet Canditt deshalb den von der Scrum Alliance  angebotenen Zertifizierungspfad, der die Weiterentwicklung aufzeigt. Die nächste Stufe nach dem Certified ScrumMaster ist der Certified Scrum Professional, der u.a. agile Praxiserfahrung von 36 Monaten verlangt.

„Wichtig ist, dass die Umgebung, in der der Scrum Master arbeitet, dies anerkennt und die Möglichkeit gibt, das Wissen in der Praxis zu trainieren“, meint die Trainerin. Das sieht auch Ines Stuppacher so. „Man sollte viel in der Praxis arbeiten, viel lesen und immer wieder Trainings absolvieren, um sich weiter zu entwickeln.“ Gina Röge sieht darüber hinaus eine persönliche und berufliche Weiterentwicklung als unverzichtbar. Sie hat beispielsweise zusätzlich eine Ausbildung als systemischer Coach. „Neue Führungskulturen sind wichtig. Das macht auch einen anderen Scrum Master aus mir.“

Weitere agile Methoden

Häufig werden der Produkt- oder Innovationsentwicklung verschiedene agile Methoden miteinander kombiniert.

  • Lean Startup: Die Methode veränderte fundamental die Art der Entwicklung von neuen Produkten und Services. Ziel ist es zu identifizieren, welche Wünsche und Bedürfnisse die eigene Zielgruppe wirklich hat. Dies geschieht durch ein gezieltes Testen der wichtigsten Hypothesen, die für den Erfolg der Idee elementare Faktoren darstellen. Somit wird durch Lean Startup ermöglicht, schnelle Anpassungen vorzunehmen und neue Richtungen einzuschlagen. (Quelle: Startplatz.de)
  • Business Model Canvas: In einem Business Model Canvas lassen sich Geschäftsmodelle, etwa für Start-ups visualisieren. Business Model Canvas hilft dabei, alle wesentlichen Elemente eines erfolgreichen Geschäftsmodells in ein skalierbares System zu bringen und Vergleiche anzustellen. (Quelle: Startplatz.de)
  • Kanban: Agile Methode für evolutionäres Change Management. Das bedeutet, dass der bestehende Prozess in kleinen Schritten (evolutionär) verbessert wird. Indem viele kleine Änderungen durchgeführt werden (anstatt einer großen), wird das Risiko für jede einzelne Maßnahme reduziert. Darüber hinaus führt der eher sanfte Stil von Kanban in der Regel zu weniger Widerständen bei den Beteiligten.
    Der erste Schritt bei der Einführung von Kanban besteht darin, den bestehenden Workflow, die vorhandene Arbeit sowie Probleme zu visualisieren. Dies wird in Form eines Kanban-Boards getan, das z.B. aus einem einfachen Whiteboard und Haftnotizen oder Karteikarten besteht. (Quelle: IT-agile.de)
  • Design Thinking: Ansatz, der den Kunden bzw. den Nutzer in den Mittelpunkt stellt. Ziel ist die Entwicklung von Innovationen, Produkt- oder Lösungsideen durch kreative Problemlösung, erreicht wird dies durch die Arbeit in interdisziplinären Teams (Quelle: Valtech)

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